Eigenbedarfskündigung: Unwirksamkeit durch Vorhersehbarkeit des Eigenbedarfs

Eigenbedarfskündigung: keine „automatische“ Unwirksamkeit bei Vorhersehbarkeit des Eigenbedarfs zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages.

Zum Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 4. Februar 2015 – VIII ZR 154/14, ein Kommentar von Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Alexander Bredereck, Berlin und Essen.

Ausgangslage:

Unter Umständen ist eine Eigenbedarfskündigung rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam, wenn der Vermieter den Wohnraum auf unbestimmte Zeit vermietet, wenngleich er zumindest erwägt, jenen Wohnraum demnächst selbst zu nutzen.

Der Fall:

Der Vermieter schloss mit seiner Mieterin einen unbefristeten Mietvertrag im Jahr 2011. Jener Mietvertrag wurde dann bereits im Mai 2013 wegen Eigenbedarf gekündigt. Als Grund führte der Vermieter an, dass seine 20 jährige Tochter, die ab Juni 2012 ein Auslandsjahr in Australien verbracht hatte, am 18. Juli 2013 nach Deutschland zurückkehren werde, um eine Arbeitsstelle in Frankfurt/Main und ein berufsbegleitendes Studium in Mannheim aufzunehmen. Zu diesem Zweck wolle sie eine eigene abgeschlossene Wohnung beziehen und nicht mehr, wie vor dem Auslandsaufenthalt, bei ihren Eltern leben. Die Mieterin war der Meinung, dass dieser Eigenbedarf für den Vermieter bei Abschluss des Mietvertrags vorhersehbar gewesen sei, weshalb sie der Kündigung widersprach.

Das Landgericht stimmte der Mieterin zu und sah die Eigenbedarfskündigung als unwirksam an. Für die Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens reiche es bereits aus, wenn bei Vertragsschluss hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass das Mietverhältnis nur von kurzer Dauer sein werde. Genau so verhalte es sich im vorliegenden Fall. Obwohl sich die Tochter des Klägers bei Abschluss des Mietvertrags noch keine genauen Gedanken über einen möglichen Auszug aus dem elterliche Heim gemacht haben möge, hätte der Vermieter bei verständiger Betrachtung den Eigenbedarf voraussehen können und müssen.

Die Entscheidung:

Der Bundesgerichtshof hob das Urteil des Landgerichts auf und verwies den Rechtsstreit zurück.

Anders als vom Landgericht angenommen sei die Kündigung nicht wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam. Der Bundesgerichtshof hat nochmal darauf hingewiesen, dass nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung ein widersprüchliches rechtsmissbräuchliches Verhalten vorliegt, sofern der Vermieter Wohnraum auf unbestimmte Zeit vermietet, wenngleich er entweder entschlossen ist oder zumindest erwägt, ihn alsbald selbst in Gebrauch zu nehmen. Er darf in diesen Fällen dem Mieter, der mit einer längeren Mietdauer rechnet, die mit jedem Umzug verbundenen Belastungen dann nicht zumuten, wenn er ihn über die Absicht oder zumindest die Aussicht begrenzter Mietdauer nicht aufklärt.

Kein Rechtsmissbrauch liegt dagegen vor, wenn das künftige Entstehen eines Eigenbedarfs für den Vermieter zwar im Rahmen einer – von Teilen der Instanzrechtsprechung erforderlich gehaltenen – “Bedarfsvorschau” erkennbar gewesen wäre, der Vermieter aber bei Mietvertragsabschluss weder entschlossen gewesen ist, alsbald Eigenbedarf geltend zu machen, noch ein solches Vorgehen erwogen, also ernsthaft in Betracht gezogen hat. Denn bei verständiger und objektiver Betrachtung bringt ein Vermieter dadurch, dass er dem Mieter einen unbefristeten Mietvertrag anbietet und nicht von sich aus Angaben über den Stand und die mögliche Entwicklung seiner familiären und persönlichen Verhältnisse (etwa Heranwachsen von Kindern, drohende Trennung von Familienangehörigen, Erkrankung, berufliche Veränderungen) macht, regelmäßig nicht zum Ausdruck, dass er die Möglichkeit eines alsbaldigen Eigenbedarfs unaufgefordert geprüft hat und nach derzeitigem Erkenntnisstand ausschließen kann. Würde vom Vermieter bei Abschluss eines Mietvertrags eine solche – sich nach einer verbreiteten Auffassung auf bis zu fünf Jahre erstreckende – Lebensplanung verlangt werden, würde dessen verfassungsrechtlich verbürgte Freiheit missachtet, über die Verwendung seines Eigentums innerhalb der gesetzlichen Grenzen frei zu bestimmen.

Für die – in erster Linie dem Tatrichter obliegende – Beurteilung, ob der Vermieter entschlossen war, alsbald Eigenbedarf geltend zu machen oder ein solches Vorgehen ernsthaft in Betracht gezogen hat, darf allerdings nicht allein auf seine Darstellung abgestellt werden. Vielmehr kommt es auf eine Würdigung der Gesamtumstände an. Dabei kann auch auf objektive (äußere) Umstände zurückgegriffen werden, sofern diese tragfähige Anhaltspunkte für den Kenntnisstand des Vermieters bilden.

Der Bundesgerichtshof hat den Rechtsstreit nunmehr an das Landgericht zurückverwiesen, damit die erforderlichen Feststellungen zu dem – von der Beklagten bestrittenen – Vorliegen einer Eigenbedarfssituation und zu den von ihr geltend gemachten Härtegründen getroffen werden können.

Der Bundesgerichtshof verweist zur Begründung darauf, dass der Mieter ja nicht schutzlos gestellt sei. Insbesondere könne der Mieter für einen gewissen Zeitraum einen beiderseitigen Ausschluss der ordentlichen Kündigung oder einen einseitigen Ausschluss der Eigenbedarfskündigung vereinbaren.

Fachanwaltstipp Vermieter:

Dies ist ein sehr erfreuliches Urteil für Vermieter. Dennoch sollte man es hier nicht übertreiben. Der Bundesgerichtshof hat schon klargestellt, dass auch künftig Eigenbedarfskündigungen rechtsmissbräuchlich sein können, wenn der Vermieter in Kenntnis des bestehenden Eigenbedarfes ohne Hinweise vermietet. Wenn Sie also eine Eigenbedarfskündigung in absehbarer Zeit planen, wäre bei Neuvermietung ein Hinweis darauf sicher angebracht. Diesen Hinweis können Sie durchaus in den Mietvertrag aufnehmen. Jedenfalls dann kann sich der Mieter später nicht auf Rechtsmissbrauch berufen. Allerdings sind Sie auch in diesem Fall umfassend beweisbelastet für das Vorliegen des Eigenbedarfs.