Kein Vorkaufsrecht des Mieters bei Erwerbermodell

Mieter hat kein Vorkaufsrecht nach § 577 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB bei Verkauf eines mit einem Mehrfamilienhaus bebauten ungeteilten Grundstücks (Erwerbermodell)

Zum Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. November 2013 – V ZR 96/12 –, BGHZ 199, 136-148, ein Kommentar von Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Alexander Bredereck, Berlin und Essen.

Ausgangslage:

Teilt der Vermieter sein Eigentum und begründet an den einzelnen Wohnungen Wohnungseigentum, sind die Mieter, die bereits bei Teilung der Wohnung einen Mietvertrag hatten, durch ein Vorkaufsrecht nach § 577 BGB geschützt. D.h. wenn der Vermieter die Wohnung veräußert, können die Mieter durch ein Vorkaufsrecht das Eigentum daran zu den Bedingungen, zu denen der Verkauf erfolgt, erwerben.

Hintergrund: Wer in ein Mietshaus eines Vermieters mit vielen Wohnungen einzieht, ist schon rein faktisch anders vor einer Eigenbedarfskündigung geschützt, als der, der in eine Eigentumswohnung zieht. Der Eigentümer eines Mietshauses mit vielen Wohnungen wird regelmäßig nicht ohne weiteres an einer Wohnung Eigenbedarf begründen können/wollen.

Anders sicher der Vermieter, der nur wenige Wohnungen hat. Hier ist die Entstehung von Eigenbedarf wesentlich wahrscheinlicher. Dementsprechend soll ein Mieter, der nicht von Anfang an dieses Risiko in Kauf nimmt, bei einer späteren Aufteilung des Eigentums gesetzlich durch ein Vorkaufsrecht geschützt werden.

Hier kam es in der Vergangenheit zu Umgehungen. Vermieter haben eine Gesetzeslücke genutzt. Dazu der nachfolgende Fall. Der Gesetzgeber hatte zwischenzeitlich am 1.5.2013 eine Neuregelung durch § 577 a Abs. 1a BGB beschlossen. Der hier entschiedene Fall betrifft noch Altfälle, die so genannten Erwerbermodelle.

Fall:

Ein Vermieter war Eigentümer eines mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks. Die Wohnungen wurden vermietet. Als dann erteilte das zuständige Landratsamt die Abgeschlossenheitsbescheinigung. Den ungeteilten Grundbesitz verkaufte der Vermieter mit notariellem Vertrag an drei Erwerber zum Preis von 120.000 €. Diese ließen noch am gleichen Tag und bei demselben Notar eine Teilungsvereinbarung gemäß § 3 WEG beurkunden. Anschließend erfolgte die Umschreibung des Eigentums. Die Mieterin einer Wohnung erklärte daraufhin das Vorkaufsrecht für ihre Wohnung zum Preis von einem Viertel des Gesamtpreises (30.000 €). Die Mieterin klagte bis zum Bundesgerichtshof, wo sie endgültig verlor.

Aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Das Vorkaufsrecht des Mieters nach § 577 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB entsteht bei dem Verkauf eines mit einem Mehrfamilienhaus bebauten ungeteilten Grundstücks im Grundsatz nur dann, wenn sich der Veräußerer vertraglich zur Durchführung der Aufteilung gemäß § 8 WEG verpflichtet und ferner die von dem Vorkaufsrecht erfasste zukünftige Wohnungseigentumseinheit in dem Vertrag bereits hinreichend bestimmt oder zumindest bestimmbar ist.

Es entsteht in der Regel nicht, wenn erst die Erwerber Wohnungseigentum begründen sollen, und zwar auch dann nicht, wenn diese beabsichtigen, die neu geschaffenen Einheiten jeweils selbst zu nutzen („Erwerbermodell“)  (BGH, Urteil vom 22. November 2013 – V ZR 96/12 –, BGHZ 199, 136-148).

Fazit:

Der Bundesgerichtshof hat das so genannte Erwerbermodell bestätigt. Im Urteil sind auch die einzelnen Folgen einer anderweitigen Rechtsauffassung eindrucksvoll beschrieben. Der Mieter kann das Vorkaufsrecht nicht hinsichtlich eines abgeschlossenen Teils, also seiner Wohnung, ausüben. Mithin wäre er Teil einer Erwerbergemeinschaft mit allen daraus folgenden Risiken. Gerade auch im Hinblick auf die ohne notarielle Form mögliche Ausübung des Vorkaufsrechts wäre dies mit erheblichen Folgen für den Mieter verbunden.
Der Bundesgerichtshof hat aber auch dargestellt, dass in bestimmten Fällen einer bewussten Umgehung des § 577 BGB durch den Vermieter unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB auch ein anderes Ergebnis gerechtfertigt sein könnte.

Fachanwaltstipp Vermieter:

Der BGH hat das Erwerbermodell bestätigt. Allein hilft dies Vermietern für die Zukunft nicht allzu viel, da der Gesetzgeber die Gesetzeslücke zwischenzeitlich geschlossen hat. Eine ganz andere Frage ist, inwieweit die Mieter vom Vorkaufsrecht dann wirklich Gebrauch machen. Die vom Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung dargestellten Risiken für den Mieter bestehen auch künftig.