Leibliche Nichten und Neffen als Familienangehörige – Eigenbedarfskündigung

Eigenbedarfskündigung: Familienangehörige im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB sind auch leibliche Nichten und Neffen des Vermieters aufgrund ihres nahen Verwandtschaftsverhältnisses zum Vermieter.

Ein Artikel von Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Alexander Bredereck, Berlin und Essen, zum BGH Urteil vom 27. Januar 2010 – VIII ZR 159/09 –, BGHZ 184, 138-148.

Ausgangslage

Der Vermieter hat nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 ein Recht zur Kündigung wegen Eigenbedarfs unter anderem dann, wenn die Wohnungsräume für einen Familienangehörigen benötigt werden. Fraglich ist nun, welche Personen unter den Begriff der Familienangehörigen zu fassen sind. Nach früherer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zählen zu den privilegierten Familienangehörigen nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 insbesondere Geschwister des Vermieters. Das Verwandtschaftsverhältnis zwischen Geschwistern sei so engen, das es eines zusätzlichen einschränkenden Tatbestandsmerkmals, wie etwa einer engen sozialen Bindung zum Vermieter, nicht bedarf (BGH Urteil vom 9. Juli 2003 – VIII ZR 276/02, NJW 2003, 2604).

Dadurch hat der Bundesgerichtshof nach eigener Darstellung zum Ausdruck gebracht, dass für die Bestimmung des Kreises der durch § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB privilegierten Familienangehörigen bei entfernten Verwandten eines zusätzlichen Merkmals bedarf, welches sich auf die persönliche und soziale Bindung des Vermieters zu dem jeweiligen Angehörigen im Einzelfall abstellt.

Andernfalls wäre letztlich jeder irgendwie Verwandte ein solcher privilegierter Familienangehöriger. Das kann vom Gesetz so nicht gewollt sei. Allgemein gilt daher, je weitläufiger der Grad der Verwandtschaft, umso größer ist der zusätzliche Begründung bedarf im Hinblick auf die persönliche und soziale Bindung zum Vermieter.

Urteil

Im Rahmen der vorstehend zitierten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass Nichten und Neffen des Vermieters zwar nicht mehr zu dessen engsten Angehörigen wie Eltern, Kinder oder Geschwister, gehören, allerdings trotzdem noch derart eng verwandt mit dem Vermieter sind, dass kein erhöhter Begründungbedarf im Hinblick auf eine soziale Bindung besteht, wie dies bei entfernten Verwandten der Fall ist (BGH, Urteil vom 27. Januar 2010 – VIII ZR 159/09 –, BGHZ 184, 138-148).

Gesetz:
§ 573 BGB Ordentliche Kündigung des Vermieters
(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.
(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn
1.
der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat,
2.
der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder
3.
der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.
(3) Die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters sind in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind.
(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.
(§ 573 BGB in der Fassung vom 2.1.2002) § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB

Fazit:

Wer Eigenbedarf für Nichten und Neffen geltend macht, sieht sich keinem erhöhten Begründungsbedarf im Hinblick auf die persönliche und soziale Nähe zu den betreffenden Familienangehörigen ausgesetzt. Dies erleichtert die Eigenbedarfskündigung in solchen Fällen enorm.